Ob das Finanzamt Schulgeldzahlungen auch dann als Sonderausgaben anerkennen muss, wenn das Kind an einer privaten Hochschule studiert, muss der BFH in einem Musterprozess klären.
Schuldgelder für den Besuch einer Privatschule sind in Höhe von 30 %, maximal 5.000 Euro je Kind und Jahr als Sonderausgaben abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Begünstigt sind Zahlungen an allgemeinbildende und "berufsausbildende" Schulen. Es muss sich also um Privatschulen handeln, deren Schulbesuch zu einem anerkannten Schul- oder "Berufsabschluss" führen. Der Studiengang "Bachelor of Science" an einer privaten Fachhochschule ist kein anerkannter Berufsabschluss, entschied das Finanzgericht Münster mit Urteil v. 14. August 2015 (4 K 1563/15 E). Und zwar deshalb, weil nach dem Abschluss des Studiums keine Berufsbezeichnung, sondern nur ein akademischer Grad verliehen wird.
Sachverhalt im Streitfall
Der Kläger bezog für seine Tochter, die aus erster Ehe hervorging, die hälftigen kindbedingten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG. Die Tochter studiert nach ihrem Abitur seit Oktober 2013 an einer nichtstaatliche akademische Bildungseinrichtung, die durch das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe der Vorschriften des Hochschulgesetzes des Landes als Fachhochschule staatlich anerkannt wurde. Die "Fachhochschule" finanziert sich im Wesentlichen durch Studienentgelte. Für das Streitjahr machte der Kläger die von ihm für das Wintersemester 2013/2014 getragene Entgelte von 3.555 Euro als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG geltend. Das FA lehnte den Sonderausgabenabzug ab und begründete dies damit, dass die "Fachhochschule" keine allgemein- bzw. berufsbildende Schule sei.
Generelle Ausklammerung privater Hochschulen?
Der Kläger trug mit seiner Klage im Wesentlichen vor, die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG verwende übergreifend den Begriff der "Schule". Nach dem Wortlaut des Gesetzes fielen hierunter auch Hochschulen. Eine generelle Ausklammerung privater Hochschulen sei nicht möglich; nach der Rechtsprechung des BFH könnten Hochschulen auch (Ersatz-)Schulen i. S. des Gesetzes sein (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 32/02). Die "Fachhochschule" sei eine staatlich anerkannte und akkreditierte Schule. Die dort angebotenen Studiengänge führten zu einem allgemein- bzw. berufsbildenden Schul- oder Berufsabschluss. Bei dem Studienabschluss, den die Tochter anstrebe, handele es sich um einen berufsqualifizierenden Abschluss eines mehrstufigen Studienmodells. Insbesondere verfüge der Studiengang über allgemeinbildende Elemente, so z. B. die ausdrücklich angestrebte Vermittlung interkulturellen Verständnisses sowie umfassender Sprachkenntnisse.
Eine formale behördliche Anerkennung des Abschlusses könne für den Sonderausgabenabzug nicht entscheidend sein. Diese Anerkennungsvoraussetzung erscheine willkürlich und eröffne die angesichts der Steuergleichheit bedenkliche und ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung gleichliegender Sachverhalte, wenn und soweit die inhaltlichen Anforderungen an den Schulabschluss prinzipiell zu bejahen seien. Dies führe zudem zu einer unzumutbaren Einschränkung des Rechts auf freie Schulwahl.
Das FG hat mit den oben genannten Gründen die Klage als unbegründet zurückgewiesen, aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage jedoch die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Im Hinblick auf die wachsende Anzahl privat finanzierter Hoch- bzw. Fachhochschulen hält das FG eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage des Sonderausgabenabzugs von Studienentgelten nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in der durch das JStG 2009 reformierten Fassung für angezeigt.
Praxis-Tipp: BFH entscheidet im Revisionsverfahren
In dem Verfahren X R 32/15 muss der BFH die Frage beantworten, ob Studienentgelte für ein Studium an einer privaten, staatlich anerkannten Fachhochschule als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in der durch das JStG 2009 reformierten Fassung zu berücksichtigen sind, und ob der im Gesetz verwendete Begriff "Schule" einschränkend so zu interpretieren ist, dass hierunter nur allgemeinbildende Schulen, nicht aber Hochschulen - einschließlich Fachhochschulen – fallen.
Eltern, deren Kinder an einer privaten Fachhochschule studieren, sollten die Schulgeldzahlungen bzw. Studiengebühren trotzdem als Sonderausgaben ansetzen. Lehnt das Finanzamt den Abzug ab, ist ein Einspruch gegen den ablehnenden Steuerbescheid auf jeden Fall sinnvoll. Zur Begründung ist auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren mit dem Az. X 3 32/15 und auf das damit verbundene Ruhen des Einspruchsverfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO zu verweisen.